Vin de Berne

"Vin de Berne" - ein Dokumentarfilm von Hugo Sigrist


Openair Spiez:  15. August 2024 um 21.00

Die Premiere fand am 16. Dezember um 21.00 in der Cinématte statt. Bis am 4. Januar folgenden weitere 10 Vorstellungen in der Cinematte mit mehr als 400 Zuschauer*innen 


Synopsis

Das Wyssloch zwischen Laubeggstrasse und Autobahn, es liegt Schnee, am Nordhang schlitteln die Kinder, am Südhang schlummern 7000 Reben-Stecklinge und warten auf den Frühling. Sie wissen noch nichts vom Frost, der ihre ersten Triebe verkümmern lassen wird, sie wissen nichts vom Mehltau, der im zweiten Jahr folgt, nichts von der Trockenheit im dritten. Nur die Hände, die sie in den Boden gesteckt haben, kennen sie schon. Es sind die gleichen Hände, die sie in den folgenden Jahren pflegen und behüten werden, Hände von Profis und von freiwilligen Helfer*innen aus der Nachbarschaft. Im Herbst 2022 können sie nach Jahren voller Rückschläge endlich vier Tonnen Trauben ernten. Daraus entsteht im Berner Stadtquartier Kirchenfeld der erste Jahrgang "Troublant", ein Weisswein und damit der erste Wein aus 100% Stadtberner Produktion seit 400 Jahren. Die Etikette aus weissem Papier hat in der Mitte ein grosses, rundes Loch, darunter leuchtet dunkel die Flasche, wie das Gras unter den Schlittelspuren. Stadtberner Weine hätten historisch nicht zu den besten Tropfen gezählt, sagte der Stadtpräsident einige Jahre zuvor im Wyssloch. Jetzt steht er mit einem Glas Troublant in der Weinmanufaktur und sagt nichts. Der Wein spricht für sich.

Die Dreharbeiten für den Dokumentarfilm "Vin de Berne" begannen im November 2015 und konnten im Juli 2023 abgeschlossen werden. Der Film dauert 75 Minuten und zeigt, wie der gewerbliche Weinbau nach Jahrhunderten der Abwesenheit in die Stadt Bern zurückkehrt.

Filmstills

"Vin de Berne" in der Presse

“Ein Weinberg verlangt Geduld und Beharrlichkeit”

Markus Dütschler, Der Bund, 2.10.2017


1,3 Hektaren gross ist der jüngste Weinberg im Kanton. 7000 Reben stehen im Wyssloch in der Nähe des Zentrums Paul Klee. Künftig sollen 8 bis 10 Tonnen gelesen werden, was etwa 10’000 Flaschen ergibt. Später soll das gepachtete Areal gegen Westen erweitert werden. Matthias Rindisbacher, der Hobbyrebbauer Hugo Sigrist und die Architekten Silvio Ragaz und Maurus Schifferli haben das Projekt «Vin de Berne» ins Leben gerufen.


Wer in grossem Stil Wein anbaut, braucht eine behördliche Bewilligung. Matthias Rindisbacher, wie sein Vater als Architekt tätig, hat sich ganz dem Thema Wein verschrieben. Vor fast vier Jahrzehnten besuchte er an der Versuchsanstalt Wädenswil sämtliche Kurse für Hobbywinzer. Heute führt er neben dem Architekturbüro die Weinmanufaktur (www.weinmanufaktur.ch) im Kirchenfeldquartier. Hier wird er die Trauben aus dem Wyssloch verarbeiten – ein Herzensanliegen.


Wer in Berns Osten durch das Wyssloch spaziert, staunt: Plötzlich stehen da 7000 Rebstöcke in Reih und Glied wie Soldaten auf einem Kasernenplatz. Sie gehören dem 62-jährigen Architekten Matthias Rindisbacher, der sie mit Freiwilligen und seinem 28-jährigen Sohn Gregor gepflanzt hat. Der Sportwissenschaftler wird sie in Zukunft pflegen.


Im Juni kam ein Traktor mit einer Pflanzmaschine vorbei, der die Jungreben und Stickel setzte. Sieben Wochen später rammte ein Kleinbagger mit Schlagvorrichtung die Pfosten in den Boden. Nun müssen noch die Drähte gespannt werden. Das war der leichteste Teil. Was danach folgt, ist harte Arbeit. «Ein Weinberg verlangt Geduld und Beharrlichkeit», sagt Matthias Rindisbacher.


Man müsse es ertragen, Rebstock um Rebstock zu schneiden, bis die Hand schmerze. «Dann sieht man den kleinen Teil, der bereits gemacht ist, und den grossen, der vor einem liegt.» Nicht jeder bringe diesen langen Atem mit. Rindisbacher senior weiss das, weil er schon als 6-Jähriger mit den Eltern ins Tessin fuhr, um in ihrem Rebberg zu arbeiten, dazwischen aber auch mit anderen Kindern «Räuberlis» darin zu spielen.


Schon die Bibel gebraucht die Metapher vom «Weinberg des Herrn», um die Beharrlichkeit des Aufbauens und Pflegens zu illustrieren. Ein Weinberg ist aber nicht nur Mühe, sondern auch Freude. Rindisbacher senior hat vor einem Jahrzehnt einen Weinberg in Seftigen angelegt, wo er aufgewachsen ist, an einem Ort, der im Dorf «Räbeli» oder amtlich Rebzelg heisst.


Das deutet darauf hin, dass dort früher Wein angebaut wurde. Die Lese verläuft in diesen kleinen Weinbergen anders als auf den grossen Gütern, auf denen Drückerkolonnen aus Polen oder sonstwo im Akkord schuften. «Die Weinlese soll für die freiwilligen Helfer ein Erlebnis sein», sagt Matthias Rindisbacher. Es gebe ausgiebig Zmittag, Znüni und Zvieri, ein Jahresendessen – und später einige Flaschen des Jahrgangs. «Die Leute haben dann eine sehr enge Beziehung zu ihrem Wein.»


Vater und Sohn führen die Besucher durch den Rebberg in Sichtweite des Zentrums Paul Klee. Noch sind die Reben klein. Selten hängt eine Traube am Stock, säuerlich und ungeniessbar. Hinter dem Drahtzaun schauen Schafe interessiert zu. Sie wissen nicht, dass auch sie ihren Part spielen werden. Als «Rasenmäher» werden sie das Gras wegfressen, ohne den Boden zu belasten wie ein Traktor.


Wenn weniger Grünes wächst, muss weniger gemäht werden. Herbizide werden grundsätzlich keine eingesetzt, der Rebberg soll nach biologischen Grundsätzen bewirtschaftet werden. Zum Einsatz kommen die altbekannten Stoffe Schwefel und Kupfer sowie Pflanzenstärkungsmittel, um einem Pilzbefall vorzubeugen. Ohnehin ist die gepflanzte Traubensorte weitgehend resistent: eine Kreuzung mit Namen VB CAL 6-04 aus Sauvignon blanc, Riesling und einer dritten Sorte, die das Geheimnis des Züchters bleibt.


Wird es ein guter Wein? Das weiss man bei diesem Getränk immer erst, wenn man die Flasche öffnet. Matthias Rindisbacher sagt, er vermute, dass dieser Südhang schon früher bestockt gewesen sei, so wie auch der Altenberg. In der frühen Neuzeit war Wein ein Alltagsgetränk, dem Kräuter, Honig oder Birnendicksaft beigefügt wurden, weil er sonst zum Trinken zu sauer war. «Dieser Wein wird keine Fruchtbombe», sagt Matthias Rindisbacher, aber dafür mit schöner Säure, dank der er gut gelagert werden könne. Er hofft, in einigen Jahren etwa 10’000 Flaschen pro Jahr abfüllen zu können.


Wie wird das «Kind» heissen: Wysslöchler, Kleeberger, Obstberger – oder Schönberger, da am oberen Ende das Neubauquartier Schönberg-Ost beginnt? Rindisbacher senior lacht: Das Brainstorming sei noch in vollem Gange.


Er freut sich darüber, dass sein Filius während des Studiums unzählige Stunden in den Rebbergen mitgearbeitet und sich viele Kenntnisse angeeignet hat. «Zuerst war es ein Studentenjob, aber mit der Zeit faszinierte mich der Weinbau immer mehr», sagt Gregor. Seine Freundin ist Biologin und absolviert derzeit eine Winzerlehre im Neuenburgischen. «Ein schöner Zufall», findet der Vater. Auf den ersten Stadtberner Wein freut sich Matthias Rindisbacher jetzt schon, denn beim Riesling lässt sich das Terroir besonders stark herausschmecken. 



Vier Tonnen Stadttrauben sind im Trockenen

Claudia Salzmann, Der Bund, 27.10.2022


Der Winzer strahlt mindestens so wie die Herbstsonne. Es ist ein historischer Tag für Matthias Rindisbacher: «Erstmals seit 400 Jahren wird auf Stadtboden wieder professionell Wein pro- duziert. Für mich ist das ein grosser Moment», sagt der 67-Jährige.


Geduld war gefragt: Vor sechs Jahren pflanzte er die Sauvignac- Reben am Hang in Wyssloch in der Nähe des Zentrum Paul Klees. Eigentlich könnte man schon im dritten Jahr nach dem Pflanzen eine kleine Menge ern- ten. Doch die Trockenheit ver- hinderte dies. Im vierten Jahr kam der Frost und letztes Jahr der Mehltau.


Bei einem Totalausfall der Ernte ist der Winzer nicht in je- dem Fall versichert: Bloss für Mehltau und Hagel können sich Weinbauern absichern. Matthias Rindisbacher hat auch in Seftigen bei Thun und im Tessin Rebberge. In Seftigen verhagelte es dieses Jahr drei Viertel der Ernte, im Tessin verzeichnet er eben- falls ein Viertel weniger Trauben. Diese Ausfälle werden aber von den Versicherungen abgedeckt.


Unten am Rebberg sind die Helfenden gerade dabei, die Trauben zu ernten. Die Autobahn hört man leise rauschen, ein kleines Windchen bläst kühl über den Hang, und um Rindisbachers Beine streicht seine Hündin Glera – benannt nach der Prosecco Traube. Sie fühlt sich wohl in ih- rem Reben-Revier. Die Kisten fül- len sich bei manchen Helfern, die alle freiwillig hier sind, langsa-mer als bei anderen. Nicht alle haben gleich viel Erfahrung.


Der Rebberg gibt das ganze Jahr zu tun. Via Whatsapp-Chat sucht Rindisbacher regelmässig Helferinnen und Helfer: Anfang Jahr werden Triebe reduziert und später Blätter abgelaubt, damit die Trauben schneller trocknen. Die Arbeit gipfelt im Herbst in der Läset, wie die Ernte genannt wird.


«Die Reben sind heikle Pflänzchen»


7000 Rebstöcke hat Matthias Rindisbacher gesetzt. Am ersten Erntetag schafften sie rund die Hälfte und zwei Tonnen Trauben wurden vom Stadtrand ins Kir- chenfeldquartier transportiert, wo sie gepresst werden. Er produziert sonst primär Rotwein und verkauft die Flaschen unter dem Namen Rindisbacher Weinmanufaktur Bern.


Weinbauer Rindisbacher schätzt, dass rund vier Tonnen Trauben ungefähr 3000 Flaschen ergeben werden. Sein Ziel sind dereinst 10’000 Flaschen Stadtberner Sauvignac. Dazu sollten die Pflanzen, die unten am Hang stehen, mehr Früchte tragen. «Die Reben sind heikle Pflänzchen. Vielleicht spüren sie die Pestizide, mit denen vorher die Anpflanzungen besprüht wurden.»


Apropos Pestizide: Rindisbacher arbeitet nach Bio-Standards, noch ohne ein Zertifikat. Neu könne man einzelne Parzellen dafür anmelden, was er vor- hat. Gegen Krankheiten wie Mehltau hat er Schwefel, Kalk und Kupfer eingesetzt. Doch hat er vorgesorgt: Die neue Rebsorte Sauvignac ist eine pilzresistente Sorte (Piwi). «Viele Winzer haben nun gemerkt, welche Schwierigkeiten mit dem Klimawandel auf uns zukommen. Aktuell sind solche Piwi-Setzlinge Mangelware.» Jetzt setzt er sich in den Wagen, während seine helfenden Hände weiterpflücken. Es geht in die Kellerei im Kirchenfeld. Dort sind Kisten frei geworden. Seine Angestellten be- füllen im Keller die Pressen. Und bald warten am Rebberg wiede- rum volle Kisten, die abgeholt werden müssen.


Zwei Tonnen ist die maximale Menge, die die Presse an einem Tag verarbeiten kann. Der Oech- slegrad – der Zuckergehalt der Trauben – soll hoch sein. In den Kisten liegen die prallen und perfekten Trauben. Nächsten Frühling wird entkorkt, der Name seines neuesten Weins bleibt noch des Winzers Geheimnis. Auch die Stadt Bern selber produziert Wein, nicht auf Stadtgebiet. Sondern in La Neuveville, wo die Ernte seit zwei Wochen abgeschlossen ist.



Dossier 25. Februar 2014 “Ein Projekt zur Revitalisierung der Weinkultur in der Stadt Bern”

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